KULTIKK

Warum Schüler*innen ins Theater gehen?

Interview mit der Leiterin der Literaturwerkstatt Jugendkulturzentrum im Gladhouse Ines Göbel und den Lehrerinnen der Inklusiven Bauhausschule Cottbus und der Theodor-Fontane-Gesamtschule Lina Carey und Ines Strehlau.

Junge Zuschauerinnen bei KRABAT im Sommertheater Foto: Bernd Schönberger

13.11.2024

Ines Göbel leitet die Literaturwerkstatt Jugendkulturzentrum im Gladhouse, Tini Tini Lina Carey und Ines Strehlau sind Lehrerinnen an der inklusiven Bauhausschule Cottbus und der Theodor-Fontane-Gesamtschule alle drei haben eines gemeinsam: Sie gehen regelmäßig mit jungen Menschen ins Theater, auch zu Workshops oder Probenbesuchen.

Wie kam es dazu?
T. Carey: Unsere Schüler kennen das Theater, aber sie würden privat nie hingehen. Es gibt ganz wenige, die diese Sachen mit ihren Eltern wahrnehmen, einfach, weil es nicht so alltäglich für sie ist. Wir haben angefangen mit Workshops und Theaterbesuchen und das immer weiter gebaut, weil die Rückmeldung so positiv war. Und dadurch, dass wir jetzt seit zwei Jahren regelmäßig da waren, fordern sie es auch ein und sagen: „Wann gehen wir denn wieder?“ Es ist spannend zu sehen, dass sie das wirklich wertschätzen. Das hätte ich gar nicht so gedacht.

I. Göbel: An erster Stelle steht bei mir, das Interesse für Kunst und Kultur bei den Jugendlichen einerseits zu fördern und andererseits weiter zu fassen. Also nicht nur auf die Literatur hier in unserer Arbeit zu beschränken, sondern es gibt noch mehr Kunst und Kultur. Da habe ich angefangen, mit ihnen halt immer ins Theater zu gehen - und bin auf totale Begeisterung gestoßen. Es ist wichtig, sich in der Stadt zu vernetzen, zu gucken, was es hier noch so gibt. Das hat einfach funktioniert und ist jetzt schon ein Selbstläufer. Also, die organisieren sich sogar schon allein.

Was bewirkt Theater?
I. Strehlau: Ich finde es besonders, dass Schüler im Workshop die Rollen von jemandem einnehmen, was man im Regelunterricht nur oberflächlich erreicht. Man kann fragen„Wie fühlt sich die Person?“, aber wenn man in eine Rolle schlüpft, hat man noch mal eine ganz andere Erfahrung. Und sie brauchen ja die Fähigkeit zum Umgang mit verschiedenen Situationen in ihrem Berufsleben später.

T. Carey: Wir hatten ja mit unseren Kindern, teilweise im Rollstuhl, diesen Ballettworkshop. Da haben sie getanzt, Bewegungen der anderen gespiegelt und fanden das am Anfang sehr befremdlich und wurden dann immer freier und haben ihren Körper ganz anders wahrgenommen.

I. Strehlau: Wenn man sich hier in der Schule irgendwie anders gebärdet, gibt es Kommentare, vielleicht sogar Beleidigungen. Im Theaterworkshop ist es anders, da hat eben ein Junge auch mal eine Mädchenrolle gespielt. Das ist einfach akzeptiert, weil es da alle so machen.

T. Carey: Es ist ein geschützter Raum.

I. Strehlau: Es ist toll, wenn man sich dann im Stück wiederfindet. Das war jetzt auch so in der KRABAT-Premiere, wir haben im Workshop assoziatives Schreiben zu vier Sätzen aus KRABAT gemacht und da sagten unsere Schüler nachher: „Die haben ja meinen Satz gesagt!“

I. Göbel: Es geht auch um die Fähigkeit mitzufühlen, mitzudenken, einzusteigen. Jugendliche haben noch nicht diesen distanzierten Erwachsenenblick. Oder wie sie damit umgehen, wenn nicht das kommt, was sie erwarten. Zu erfahren: Ich darf denken und fühlen, was ich denke und fühle.

Und das muss man den Jugendlichen erlauben. Man muss sagen, ja, darfst du. Natürlich darfst du das so schreiben. Natürlich darfst du das so denken. Und deshalb können wir froh sein, dass wir in so einer freiheitlichen Welt leben, also in einer Demokratie. Theater menschliche kann auch Dimensionen zeigen. Wir sind nicht auf unseren Alltag beschränkt. Wir können viel mehr aus uns machen. Oder uns Welten eröffnen, Welten erklären oder Welten schaffen.

Wie muss sich Theater in Zukunft entwickeln?
I. Strehlau: Ich glaube, es wird wichtig, auch multikulturelle zusprechen. Wurzeln anzusprechen.

T. Carey: Aber auch, gerade aufgrund des Strukturwandels, lokal angebunden zu sein, wie z.B. mit KRABAT oder DAS KRAFTWERK. Ich habe auch das Gefühl, dass neuerdings viel mehr offene Varianten da sind. Dieses Theaterfest zum Beispiel oder die SPIELZEIT VORSTELLUNG FÜR LEHRENDE. Und ich glaube, dass man das fast noch mehr braucht, um mehr Leute anzuziehen, anzulocken. Und natürlich Barrieren abbauen und wirklich ganz, ganz viel Teilhabe ermöglichen.

I. Göbel: Die vielen Medien sind eine Herausforderung. Diese Entscheidung: Ich mache diese Geräte nicht an. Ich gehe mir jetzt live Menschen angucken, die einen Text auswendig gelernt haben, die ganz coole Klamotten anhaben. Und ich tauche damit ein in diese Atmosphäre, begebe mich in neue Räume.

SPIELZEITVORSTELLUNG FÜR LEHRENDE

Jährlicher Austausch mit der Leitungsrunde des Staatstheater Cottbus, 10. Sep. 2024, 17.00-18.30 Uhr Kammerbühne, Foyer (um Anmeldung wird gebeten)

WORKSHOPS
Individuelles Begleitprogramm zum Vorstellungsbesuch

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